Knud Rasmussen war ein bedeutender dänisch-kanadischer Ethnologe, Polarforscher und Schriftsteller, der vor allem für seine Erforschung der Inuit-Kulturen in der Arktis bekannt wurde. Er gilt als einer der Pioniere der modernen Arktisforschung und als wichtiger Vermittler zwischen westlicher Wissenschaft und indigenem Wissen.
Frühes Leben und Ausbildung
Knud Rasmussen wurde am 7. Juni 1879 in Jakobshavn (heute Ilulissat) auf Grönland geboren. Sein Vater, Hinrich Wilhelm Rasmussen, war dänischer Arzt, seine Mutter, eine Inuit-Frau namens Tupernat, stammte aus Grönland. Durch diese gemischte Herkunft wuchs Rasmussen in einer bi-kulturellen Umgebung auf, lernte sowohl die dänische als auch die inuitische Sprache und Kultur bereits in seiner Kindheit kennen.
Nach der Schulzeit in Dänemark begann Rasmussen ein Studium der Ethnologie, Geschichte und Geografie an der Universität Kopenhagen. Während seines Studiums vertiefte er sein Interesse an den arktischen Regionen und den Lebensweisen der indigenen Völker.
Expeditionen und Forschungsarbeit
Rasmussens wichtigste Beiträge zur Wissenschaft beruhen auf seinen zahlreichen Expeditionen in die Arktis. Zwischen 1902 und 1933 leitete er insgesamt sieben größere Expeditionen, die häufig unter dem Namen „Thule-Expeditionen“ bekannt sind. Der Begriff „Thule“ bezieht sich auf die nördlichste Region der arktischen Welt, benannt nach dem gleichnamigen Inuit-Dorf.
Eine seiner bekanntesten Reisen war die „Thule-Expedition“ von 1912 bis 1913, bei der Rasmussen mit Hundeschlitten Tausende Kilometer durch Grönland, Kanada und Alaska zurücklegte. Ziel war es, die Lebensweise, Bräuche, Sprache und Überlieferungen der Inuit zu dokumentieren. Rasmussen legte dabei großen Wert auf die enge Zusammenarbeit mit den Inuit-Gemeinschaften und sammelte eine Fülle von ethnographischem Material, darunter mündliche Überlieferungen, Mythen, Lieder und traditionelle Kenntnisse.
Wichtige Expeditionen von Knud Rasmussen:
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Erste Thule-Expedition (1912–1913)
Ziel war die Überprüfung der Existenz des sogenannten Peary-Kanals, der Peary Land vom restlichen Grönland trennen sollte. Rasmussen und Peter Freuchen überquerten das Inlandeis und bewiesen, dass Peary Land keine Insel ist. -
Zweite Thule-Expedition (1916–1918)
Diese Expedition erforschte die Nordküste Grönlands zwischen dem Sankt George Fjord und der De Long Bugt. Es wurden kartografische, geologische und botanische Untersuchungen durchgeführt. Leider kamen zwei Teilnehmer, Hendrik Olsen und Thorild Wulff, ums Leben. -
Dritte Thule-Expedition (1919–1920)
Unter der Leitung von Godfred Hansen wurden Versorgungsdepots auf Ellesmere Island für Roald Amundsens Nordpolexpedition mit der Maud errichtet. Rasmussen selbst nahm an dieser Expedition nicht teil. -
Vierte Thule-Expedition (1919)
Rasmussen sammelte in Ostgrönland, insbesondere im Kolonialdistrikt Angmagssalik, Mythen und Sagen der Tunumiit. -
Fünfte Thule-Expedition (1921–1924)
Dies war Rasmussens umfangreichste Expedition, die von Grönland durch die kanadische Arktis bis nach Alaska und kurzzeitig nach Sibirien führte. Ziel war es, die Herkunft und kulturellen Verbindungen der Inuit zu erforschen. Rasmussen legte dabei über 18.000 Kilometer mit dem Hundeschlitten zurück. -
Sechste Thule-Expedition (1931)
Diese Expedition diente der kartografischen und archäologischen Erforschung der Südostküste Grönlands und sollte Dänemarks Anspruch auf dieses Gebiet gegenüber Norwegen untermauern. -
Siebte Thule-Expedition (1932–1933)
Rasmussen untersuchte die Ostküste Grönlands von Kap Farvel bis Ittoqqortoormiit. Während dieser Expedition erkrankte er schwer und verstarb am 21. Dezember 1933 in Kopenhagen.
Veröffentlichungen und Vermächtnis
Neben seinen wissenschaftlichen Feldstudien veröffentlichte Knud Rasmussen zahlreiche Berichte, Bücher und Artikel. Dazu zählen bedeutende Werke wie „Across Arctic America“ (1919) und „The Netsilik Eskimos“ (1929), in denen er seine Beobachtungen und Erfahrungen schilderte. Diese Publikationen wurden international anerkannt und trugen dazu bei, das Wissen über die arktischen Regionen und ihre Bewohner einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Rasmussen war auch ein engagierter Vermittler zwischen Kulturen: Er bemühte sich, Vorurteile abzubauen und das Verständnis für die Inuit und ihre Lebensweise zu fördern. Seine Arbeit wird bis heute in der Ethnologie, Anthropologie und Arktisforschung geschätzt.
Tod und Nachwirkung
Knud Rasmussen starb am 21. Dezember 1933 in Kopenhagen im Alter von 54 Jahren. Trotz seines vergleichsweise frühen Todes hinterließ er ein umfangreiches wissenschaftliches Erbe und gilt als einer der bedeutendsten Arktisforscher des 20. Jahrhunderts.
Sein Name ist heute in der Polarforschung sowie in Grönland und Kanada weiterhin präsent. Zahlreiche Institutionen, Forschungseinrichtungen und geographische Orte sind nach ihm benannt. Sein Engagement für die Erforschung und den Schutz der indigenen Kulturen der Arktis bleibt bis heute wegweisend.