1932 – 1933 – 7. Thule Expedition – Knud Rasmussen– Ein Fenster zur Kultur der Inuit

Die 7. Thule-Expedition (1932–1933)

Leitung: Knud Rasmussen

Zwischen Eis und Geist – Ethnografische Erkenntnis in einer sterbenden Welt


Einleitung

Die 7. Thule-Expedition von 1932 bis 1933 war nicht nur eine Forschungsreise – sie war ein Wettlauf gegen das Vergessen. Unter der Leitung von Knud Rasmussen, dem berühmten grönländisch-dänischen Ethnologen, begab sich ein kleines Team auf eine gefährliche und zutiefst bewegende Reise durch die eisige Weite des arktischen Nordens. Ziel war es, das spirituelle Erbe der Inuit-Völker zu bewahren – ihre Mythen, Rituale, Sprachen und Vorstellungen vom Leben. Was als wissenschaftliche Expedition begann, wurde zu einem existenziellen Ringen mit der Natur, mit dem Tod – und mit der eigenen Zerbrechlichkeit.


Dramatische Wendepunkte und Herausforderungen

Bereits der Beginn der Expedition wurde überschattet von unvorhersehbaren Problemen. Während der Durchquerung der kanadischen Tundra setzte ein plötzlicher Schneesturm ein, der das kleine Forscherteam für mehrere Tage in einer improvisierten Schneehöhle festhielt. Die Hunde winselten, das Petroleum ging zur Neige, und das Wasser gefror in den Kochgeschirren. Arnarulunguaq, die erfahrene grönländische Begleiterin, hielt die Gruppe mit Gesängen wach, um Erfrierungen und Erschöpfung zu bekämpfen.

Ein besonders dramatisches Ereignis war der Zusammenbruch Rasmussens im Frühjahr 1933: Nach wochenlangem Marsch, unterkühlt und mit Skorbut-ähnlichen Symptomen geschwächt, brach er in der Nähe eines Inuit-Lagers zusammen. Nur die schnelle Hilfe eines Schamanen – mit einem heilenden Gesang und einer Lebertrank-Zeremonie – rettete ihn vermutlich das Leben. Dieses Erlebnis prägte ihn tief: Er schrieb später, dass er durch die Krankheit „die Nähe zwischen Tod und Geist“ stärker gespürt habe als je zuvor.

Auch der Fotograf Helge Bangsted erlebte Grenzsituationen: Beim Versuch, ein zeremonielles Fest im Zwielicht der Mitternachtssonne zu filmen, brach er durch eine dünne Eisdecke. Nur mit Mühe wurde er von Thorkild Fjeldsted und einem Inuit-Helfer aus dem eisigen Wasser gezogen. Seine Kamera wurde zerstört – doch sein Film, versteckt unter der Kleidung, überlebte.


Ziel und Bedeutung

Trotz aller Entbehrungen hielt die kleine Gruppe an ihrem Ziel fest: die geistige Welt der Inuit zu dokumentieren, bevor sie für immer verloren ging. Rasmussen wusste, dass sich durch Missionare und koloniale Verwaltung die alten Mythen, Rituale und Namen bereits auflösten. Jeder gesprochene Satz, jeder erzählte Traum war ein Rettungsanker in die Vergangenheit einer untergehenden Kultur.


Teilnehmer (Kurzbiografien)

  • Knud Rasmussen (1879–1933): Visionärer Ethnologe, der in der Expedition seinen letzten Lebenshöhepunkt fand. Er starb nur wenige Monate nach der Rückkehr – geschwächt von der Reise.

  • Arnarulunguaq (1896–1933): Unverzichtbare Begleiterin, Übersetzerin, Kulturvermittlerin – sie starb ebenfalls kurz nach der Expedition an Tuberkulose.

  • Helge Bangsted (1900–1989): Überlebte das Eiswasser, dokumentierte die Expedition fotografisch.

  • Thorkild Fjeldsted: Der stille Organisator, dessen praktische Fähigkeiten der Expedition das Überleben sicherten.


Erkenntnisse der Expedition

1. Weltbild und Religion

Die Inuit glauben, dass alles in der Welt beseelt ist. Der Tod ist kein Ende, sondern ein Übergang. In kalten Iglu-Nächten berichteten Älteste von Träumen, in denen die Seelen Verstorbener als Tiere zurückkehrten. Rasmussen selbst träumte nach seiner Erkrankung, wie er von einem Eisbären geführt wurde – eine spirituelle Erfahrung, die er nie vergaß.

2. Mythen und Palos Brautfahrt

Eine zentrale Erzählung war „Palos Brautfahrt“, die Rasmussen später in literarischer Form verarbeitete. Die Geschichte erzählt vom Jäger Palo, der seine Braut durch gefährliche Geisterwelten holen muss – eine Allegorie auf Rasmussens eigene Reise durch Schmerz, Eis und Trance.

3. Sprache

Trotz extremer Kälte notierte Rasmussen akribisch Begriffe wie Inua (Seele) und Sila (Weltgeist). Einmal, während eines Schneesturms, verlor er fast sein Notizbuch, das von einem Husky verschleppt worden war. Es konnte unversehrt geborgen werden – ein kleines Wunder angesichts der Bedeutung des Inhalts.

4. Gesellschaft und Alltag

In einer Gemeinschaft lebte das Team mit einer Inuit-Familie, erlebte Jagdrituale, Geburten und Totenzeremonien. Der Tod eines Kleinkinds, dessen Seele durch ein Wiederbenennungsritual dem Clan erhalten bleiben sollte, wurde feierlich dokumentiert – mit Respekt, aber ohne Distanz.

5. Fotografische Dokumentation

Viele der Bilder entstanden unter extremen Bedingungen. Ein Filmstreifen, der beinahe in einem Brand verlorenging, zeigt eine rituelle Trommelsitzung, bei der ein Schamane in Trance mit Tiergeistern spricht – ein Bild zwischen Mythos und Wirklichkeit.


Bewertung und Vermächtnis

Die 7. Thule-Expedition war mehr als Forschung – sie war eine Reise an die Grenze zwischen Leben und Tod, zwischen Kultur und Vergessen. Rasmussen erkannte, dass Wissenschaft ohne Mitgefühl leer ist. Viele der interviewten Schamanen sagten ihm: „Wir reden mit dir, weil du uns zuhörst wie ein Mensch – nicht wie ein Weißer.“

Die Expedition war gefährlich, leidvoll – und am Ende lebensverändernd für alle Beteiligten. Rasmussen starb 1933 an einer Lungenentzündung, Arnarulunguaq kurz darauf. Ihr gemeinsames Werk jedoch lebt weiter: in Archiven, Museen, Texten und Erinnerungen – und im Echo jener Lieder, die noch heute über das Eis der Arktis wehen.


Fazit

Die 7. Thule-Expedition war der letzte große Versuch, eine sterbende Kultur zu bewahren. Mit Mut, Leidenschaft und wissenschaftlicher Akribie dokumentierten Rasmussen und sein Team eine Welt, die nicht nur fremd, sondern zutiefst menschlich war. Die Dramatik ihrer Reise – Krankheit, Lebensgefahr, Erkenntnis – macht sie zu einem der bedeutendsten Kapitel der Ethnologiegeschichte. Wer heute „Palos Brautfahrt“ liest, spürt darin nicht nur den Hauch der Legende, sondern auch das Herz eines Forschers, der seine Seele in den Schnee legte.


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https://de.wikipedia.org/wiki/Palos_Brautfahrt