1921 – 1924 – 5. Thule Expedition – Knud Rasmussen

Die 5. Thule-Expedition (1921-1924)

Eine Expedition zur Erforschung der Arktis und ihrer indigenen Kulturen

Teilnehmerliste der Expedition

Leitung:

  • Knud Johan Victor Rasmussen (1879-1933): Expeditionsleiter, Ethnograph, Polarforscher (Dänemark/Grönland)

 

Wissenschaftliche Mitarbeiter:

  • Therkel Mathiassen (1892-1967): Archäologe, Geologe, Kartograph (Dänemark)
  • Helge Gösta Backlund (1878-1958): Botaniker (Schweden/Finnland)
  • Kaj Birket-Smith (Ethnologe, Geograph)
  • Helge Bangstedt (wissenschaftlicher Assistent)

Besondere Rolle  von Peter Freuchen in der Vorbereitungs- und Frühphase:

  • Obwohl Peter Freuchen nicht die gesamte dreijährige Dauer der 5. Thule-Expedition begleitete, spielte er eine entscheidende Rolle in der Vorbereitung und der frühen Phase der Expedition in Grönland.
  • Als erfahrener Polarforscher und enger Freund Knud Rasmussens trug er maßgeblich zur Planung, zur Beschaffung von Ausrüstung und zur Rekrutierung von grönländischen Teilnehmern bei.
  • Seine Expertise im arktischen Überleben und seine tiefen Kenntnisse der Inuit-Kultur waren in dieser kritischen Phase von unschätzbarem Wert. Freuchen war eine prägende Figur der gesamten Thule-Bewegung und sein Einfluss auf die Ausrichtung und den anfänglichen Erfolg der 5. Thule-Expedition war signifikant, auch wenn seine Wege sich später von der Hauptgruppe trennten.

Grönländische Teilnehmer (unverzichtbare Jäger, Schlittenführer und Dolmetscher):

  • Arnarulunnguaq („Nalungia“) (ca. 1898-1933): Ehefrau von Knud Rasmussen, spielte eine wichtige Rolle als Dolmetscherin und kulturelle Vermittlerin während der gesamten Expedition.
  • Meninguaq: Erfahrener Jäger und Schlittenführer.
  • Igdloriak: Geschickter Jäger und Schlittenführer.
  • Hendrik Olsen: Wichtiger Schlittenführer und Helfer.
  • Hans Olsen: Unterstützte die Expedition in verschiedenen Aufgaben.
  • Tobias Gabrielsen: War ebenfalls ein wertvoller Helfer und Schlittenführer.
  • Weitere namentlich nicht immer vollständig in allen Quellen erwähnte Inuit, deren Beitrag für das Gelingen der Expedition unerlässlich war.

Anmerkungen zur Liste:

  • Die Liste der grönländischen Teilnehmer ist möglicherweise nicht vollständig, da in historischen Aufzeichnungen oft nicht alle namentlich genannt wurden, obwohl ihre Beteiligung von entscheidender Bedeutung war.
  • Die Inuit-Teilnehmer brachten unschätzbares Wissen über das Überleben in der Arktis, die Jagd und die lokale Geographie ein und waren somit integraler Bestandteil des Expeditionserfolgs.

 

Zweck der Expedition:

Rasmussen wollte die Herkunft der Inuitbevölkerung erforschen und klären ob die Ureinwohner Grönlands von Nordamerika eingewandert sind. Zu desen Zweck startete er seine Forschung in Hudson Strasse genauer in Repuls Bay auf der Melville Halbinsel, nicht zu verwechseln mit der Melvillinsel, die weiter im Norden liegt. Man kann die Expedition in zwei Phasen einteilen. Die Erste Phase: archäologische – und ethnologische Forschung auf der Melville Halbinsel und deren Umgebung. Die Zweite Phase: Rasmussen plant eine Schlittenreise entlang der Nordküste Kanadas bis nach Alaska und wen möglich bis nach Sibiren. Sie soll dem Studium der Inuitbevölkerung in diesen Gegenden dienen.

Der Beginn:

Der Beginn der Expedition stand unter keinem guten Stern. Das Schiff „Søkongen“ (Seekönig), war ein 100 t Dampfer, der speziel für die arktischen Gewässer gebaut wurde, er lief mit einem Teil der Expeditionsausrüstung am 27. Mai 1921 in Kopenhagen aus.

Rasmussen und Freuchen verließen zusammen mit Therkel Mathiassen und Kaj Birket-Smith am 15. Juni 1921 Kopenhagen auf dem Passagierdampfer „Bele“ (Das Hauptschiff der Expedition) in Richtung Upernavik.

Auf ihrer Fahrt nach Upernavik lief die „Bele“ auf Grund und schlug leck (14.Juli 1921). Daraufhin wurde ein Großteil der Expeditionsausrüstung beschädigt.

Das Schiff „Island“, des dänischen Königs befand sich glücklicherweise in der Nähe, der Unglücksstelle und konnte Menschen und Ausrüstung an Bord nehmen.

Am 2. August erreichte der „Søkongen“die Stadt Thule.

Auch auf Grönland bricht die Spanische Grippe aus und viele Inuit fallen ihnen zum Opfer. Auch die Expedition ist von der Grippe betroffen, die Frau von Peter Freuchen, Narvana, stirbt an der Epidemi ebenso wie der beste Jäger im Team, Iggianguaq.


Die 5. Thule-Expedition, war weit mehr als eine bloße Erkundungsreise, so zielte diese Expedition darauf ab, die komplexen und oft missverstandenen Kulturen der Inuit-Völker im arktischen Nordamerika umfassend zu dokumentieren, ihre Sprachen zu analysieren, ihre prähistorische Vergangenheit zu ergründen und die naturwissenschaftlichen Gegebenheiten ihrer Lebensräume zu erfassen.

In einer Zeit, in der viele indigene Kulturen durch den zunehmenden Kontakt mit der westlichen Welt bedroht waren, stellte die 5. Thule-Expedition einen Wettlauf gegen die Zeit dar, um ein tiefgreifendes Verständnis dieser faszinierenden Gesellschaften zu gewinnen.

Die treibende Kraft hinter diesem ambitionierten Projekt war Knud Rasmussen, dessen einzigartige Biografie ihn auf ideale Weise für diese Aufgabe prädestinierte.

Geboren in Grönland als Sohn eines dänischen Missionars und einer Inuit-Frau, wuchs Rasmussen mit der Sprache und den Traditionen der Inuit auf. Diese tiefe Vertrautheit und sein aufrichtiges Interesse an ihrer Kultur unterschieden ihn von vielen anderen Polarforschern seiner Zeit.

Seine vorherigen Thule-Expeditionen hatten bereits wertvolle Beiträge zur Erforschung Grönlands geleistet, doch die 5. Thule-Expedition sollte eine transkontinentale Reise durch die arktische Wildnis, getragen von dem Wunsch, das Herz und die Seele der Inuit zu verstehen.

Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, versammelte Rasmussen ein kleines, aber hochqualifiziertes Team. Zu den wissenschaftlichen Kernmitgliedern gehörten Therkel Mathiassen, ein dänischer Archäologe, Geologe und Kartograph, dessen akribische Arbeit die prähistorische Besiedlung der Arktis in ein neues Licht rücken sollte, und Helge Gösta Backlund, ein schwedisch-finnischer Botaniker, der die oft übersehene Pflanzenwelt der Arktis systematisch untersuchen würde.

Entscheidend für das Gelingen der Expedition war jedoch die unschätzbare Beteiligung einer Gruppe erfahrener grönländischer Inuit-Jäger, Schlittenführer und Dolmetscher. Männer und Frauen wie Arnarulunnguaq („Nalungia“), Rasmussens Ehefrau, Meninguaq, Igdloriak, Hendrik und Hans Olsen sowie Tobias Gabrielsen brachten ein unersetzliches Wissen über das Überleben in der extremen arktischen Umwelt, die Jagdtechniken und die Navigation in der eisigen Weite mit.

Ihre Fähigkeiten waren nicht nur für das physische Überleben der Expeditionsteilnehmer unerlässlich, sondern ermöglichten auch den tiefgreifenden kulturellen Austausch mit den verschiedenen Inuit-Gemeinschaften.

Eine besondere Erwähnung verdient Peter Freuchen, obwohl seine Teilnahme an der dreijährigen Expedition nicht durchgängig war. Als enger Freund und Weggefährte Rasmussens spielte Freuchen eine zentrale Rolle in der Konzeption und den Vorbereitungsphasen der Expedition in Grönland. Seine immense Erfahrung als Polarforscher und seine profunden Kenntnisse der Inuit-Kultur waren von unschätzbarem Wert für die logistische Planung, die Beschaffung von Ausrüstung und die Rekrutierung der grönländischen Teilnehmer. Freuchens frühes Engagement prägte maßgeblich die Ausrichtung der Expedition und legte einen wichtigen Grundstein für ihren späteren Erfolg.

Der chronologische Ablauf der 5. Thule-Expedition:

  • 1921: Aufbruch von Grönland und erste kulturelle Begegnungen: Die Expedition nahm ihren Anfang an der Thule-Station in Nordwestgrönland, einem Ort, der bereits für Rasmussens frühere Unternehmungen von Bedeutung war. Hier wurden erste Kontakte zu den lokalen Inuit intensiviert, erste ethnographische Beobachtungen festgehalten und sprachliche Eigenheiten dokumentiert. In dieser initialen Phase war Peter Freuchens Expertise von großem Nutzen, da er seine weitreichenden Verbindungen und sein praktisches Wissen einbrachte.
  • 1922: Die gefahrvolle Überquerung der Hudson Bay und das Erreichen des kanadischen Festlands: Eine der größten Herausforderungen der Expedition war die Überquerung der tückischen Hudson Bay. Mit Hundeschlitten über das Eis und in kleinen Booten durch eiskaltes Wasser navigierend, erreichte die Gruppe schließlich die Westküste des kanadischen Festlands. Dieser Abschnitt der Reise demonstrierte auf eindrückliche Weise die logistischen Schwierigkeiten und die Abhängigkeit von den Fähigkeiten der Inuit-Schlittenführer. An der Westküste der Hudson Bay fanden die ersten bedeutenden Begegnungen mit Inuit-Gruppen statt, deren Kulturen sich bereits von denen in Grönland unterschieden. Hier begannen Rasmussen und sein Team systematisch mit der Sammlung ethnographischer und linguistischer Daten.
  • 1922-1923: Leben in den Winterquartieren und intensive Forschungsarbeit: Um die arktischen Wintermonate effektiv zu nutzen, errichtete die Expedition temporäre Winterquartiere in verschiedenen Regionen. Diese Zeit war geprägt von intensivem Austausch mit den lokalen Inuit. Rasmussen lebte zeitweise in ihren Siedlungen, nahm an ihren täglichen Aktivitäten teil, erlernte ihre Jagdtechniken und lauschte ihren mündlichen Überlieferungen. Er zeichnete unzählige Mythen, Legenden, Lieder und Gebete auf, die einen tiefen Einblick in ihre spirituelle Welt und ihre Weltanschauung gewährten. Therkel Mathiassen nutzte die Wintermonate für sorgfältige archäologische Ausgrabungen, die bedeutende prähistorische Siedlungsplätze freilegten und wertvolle Artefakte ans Tageslicht brachten, die das Verständnis der frühen Inuit-Kulturen revolutionierten. Gleichzeitig widmete sich Helge Backlund der Erforschung der lokalen Flora, sammelte Pflanzenproben und dokumentierte die Anpassungsstrategien der arktischen Vegetation. Die enge Zusammenarbeit und der kulturelle Austausch in den Winterquartieren waren von unschätzbarem Wert für den wissenschaftlichen Erfolg der Expedition.
  • 1923: Die Weiterreise westwärts und die Entdeckung kultureller Vielfalt: Mit dem Ende des Winters setzte die Expedition ihre beschwerliche Reise weiter nach Westen fort. Diese Phase war geprägt von Begegnungen mit immer neuen Inuit-Gruppen, deren kulturelle Praktiken, Dialekte und sozialen Strukturen eine bemerkenswerte Vielfalt aufwiesen. Rasmussen war fasziniert von den Unterschieden und Gemeinsamkeiten und dokumentierte akribisch die jeweiligen Eigenheiten. Die Reise durch oft unwegsames Gelände und unter extremen Wetterbedingungen forderte die körperliche und mentale Stärke aller Teilnehmer heraus.
  • 1923-1924: Das Erreichen der Westarktis und der Beginn der Rückreise: Nach einer langen und entbehrungsreichen Reise erreichte die Expedition schließlich die westliche Arktis. Auch hier wurden weitere wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, bevor die lange und herausfordernde Rückreise nach Grönland angetreten wurde. Die Erschöpfung der Teilnehmer war immens, doch die Aussicht auf die Heimkehr und die Gewissheit, eine Fülle an wertvollen Daten und Erkenntnissen gesammelt zu haben, trieben sie an.
  • 1924: Die Rückkehr nach Grönland und die monumentale Aufgabe der Auswertung: Nach drei Jahren in der arktischen Wildnis kehrten die überlebenden Teilnehmer der 5. Thule-Expedition nach Grönland zurück. Sie brachten eine unvorstellbare Menge an ethnographischen Notizen, linguistischen Aufzeichnungen, archäologischen Funden, botanischen Proben und kartographischen Daten mit sich. Die Auswertung dieses immensen Materials sollte Jahre in Anspruch nehmen und die wissenschaftliche Welt nachhaltig prägen.

Die wissenschaftlichen Ergebnisse:

der 5. Thule-Expedition waren von immenser Bedeutung und wirkten weit über die unmittelbare Zeit hinaus. Therkel Mathiassens archäologische Entdeckungen lieferten bahnbrechende Erkenntnisse über die prähistorische Besiedlung der Arktis und ermöglichten eine detailliertere Rekonstruktion der frühen Inuit-Kulturen. Seine Funde trugen maßgeblich zur Etablierung einer Chronologie der arktischen Besiedlung bei. Helge Backlunds botanische Studien erweiterten das wissenschaftliche Verständnis der arktischen Flora und ihrer Anpassungsmechanismen an die extremen Umweltbedingungen. Doch der vielleicht bedeutendste Beitrag der Expedition lag in der umfassenden ethnographischen und linguistischen Dokumentation der Inuit-Kulturen durch Knud Rasmussen. Seine detaillierten Aufzeichnungen der mündlichen Überlieferungen, seiner Beschreibungen der sozialen Strukturen, der religiösen Praktiken und der traditionellen Lebensweisen der verschiedenen Inuit-Gruppen stellten einen unschätzbaren Schatz an Informationen dar, der sonst für immer verloren gewesen wäre. Rasmussens Fähigkeit, das Vertrauen der Inuit zu gewinnen und in ihre Welt einzutauchen, ermöglichte ihm Einblicke, die oberflächlichen Beobachtern verborgen blieben.

Die 5. Thule-Expedition war jedoch nicht nur ein wissenschaftliches Unterfangen, sondern auch eine immense persönliche Herausforderung für alle Beteiligten. Sie kämpften gegen eisige Kälte, Schneestürme, unwegsames Gelände, die ständige Bedrohung durch Nahrungsmittelknappheit und die psychische Belastung der Isolation. Das Überleben und der Erfolg der Expedition waren maßgeblich der engen Zusammenarbeit und dem unerschütterlichen Wissen der grönländischen Inuit-Begleiter zu verdanken. Von ihnen lernten die europäischen Wissenschaftler lebenswichtige Überlebensstrategien, profitierten von ihrem tiefen Verständnis der arktischen Umwelt und ihrer meisterhaften Jagdtechniken. Die interkulturelle Zusammenarbeit war somit nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine Bereicherung für alle Beteiligten.

Die Bedeutung und das Vermächtnis der 5. Thule-Expedition sind immens. Sie erweiterte unser wissenschaftliches Verständnis der arktischen Welt und ihrer indigenen Bevölkerung auf revolutionäre Weise. Die gesammelten Daten und Erkenntnisse bildeten die Grundlage für unzählige wissenschaftliche Publikationen und trugen maßgeblich zur Etablierung der Inuit-Forschung als eigenständige akademische Disziplin bei. Darüber hinaus trug die Expedition dazu bei, die Vielfalt und den Reichtum der Inuit-Kulturen einem breiteren Publikum bekannt zu machen und das Bewusstsein für die Bedrohungen zu schärfen, denen diese Kulturen im Angesicht des westlichen Einflusses ausgesetzt waren. Knud Rasmussens charismatische Persönlichkeit, seine Fähigkeit, Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen, und sein unermüdliches Engagement für die Erforschung der Arktis machten ihn zu einer legendären Figur in der Geschichte der Polarforschung.

Zusammenfassung:

Es lässt sich sagen, dass die 5. Thule-Expedition weit mehr war als eine Forschungsreise. Sie war ein monumentales Unterfangen, das den Pioniergeist der frühen Polarforschung, die Bedeutung interkultureller Zusammenarbeit und den unschätzbaren Wert der Dokumentation indigener Kulturen in eindrücklicher Weise vereinte.  Die Expedition bleibt ein leuchtendes Beispiel dafür, wie wissenschaftliche Neugier, menschlicher Mut und interkultureller Respekt zu einem tieferen Verständnis unserer Welt und ihrer vielfältigen Bewohner führen können.