Ein Kampf ums Überleben in der arktischen Eiswüste
Kapitel 1: Die Sehnsucht nach der Nordostpassage und der Aufbruch in die Arktis
Die Suche nach der Nordostpassage, einem vermeintlichen Seeweg nördlich von Russland und Sibirien, der einen direkten Handelsweg nach Asien versprach, beflügelte im späten 16. Jahrhundert die Fantasie und die Ambitionen der europäischen Seefahrernationen. Nach zwei gescheiterten Versuchen unter seiner Führung sollte die Expedition von 1596-1597 unter dem Kommando von Jan Jacobsz May und Jacob van Heemskerck, mit Willem Barentsz als erfahrenem Navigator und Kartograf an Bord, einen erneuten Anlauf nehmen. Für diese ambitionierte Unternehmung wurden zwei Schiffe ausgerüstet, die für die potenziellen Strapazen der arktischen Gewässer ausgelegt waren. Diese Schiffe, obwohl nicht im Detail beschrieben, waren typische Segelschiffe ihrer Zeit, wahrscheinlich robuste und wendige Karavellen oder ähnliche kleinere Handelsschiffe, die sich bereits auf früheren Erkundungsfahrten bewährt hatten. Sie waren mit den notwendigen Navigationsinstrumenten, Vorräten für eine längere Reise und Bewaffnung zur Selbstverteidigung ausgestattet. Mit dem unerschütterlichen Ziel vor Augen, die eisigen Barrieren zu durchbrechen, verließen die Männer die Niederlande, ahnend der Herausforderungen, die vor ihnen lagen, aber wohl kaum die dramatischen Ereignisse, die sich entfalten sollten.
Kapitel 2: Entdeckungen im Nordatlantik und die Falle des Eises vor Nowaja Semlja
Die anfängliche Phase der Reise war von bemerkenswerten Entdeckungen geprägt. Die Expedition stieß auf unbekanntes Land und kartografierte die Inselgruppe Spitzbergen (Svalbard) mit ihren imposanten Landschaften und reichen Ressourcen. Auch die Bäreninsel wurde gesichtet und benannt, was das geografische Wissen der damaligen Zeit signifikant erweiterte. Die Schiffe bewährten sich in den moderaten Wetterbedingungen des Nordatlantiks. Doch mit dem Vorstoß weiter nach Osten, in Richtung des eigentlichen Ziels Nowaja Semlja, änderte sich das Schicksal der Expedition schlagartig. Immer dichteres Packeis versperrte den Weg, bis die Schiffe schließlich vor der Nordostküste der Insel von den unerbittlichen Eismassen eingeschlossen wurden. Die robuste Bauweise der Schiffe konnte der immensen Kraft des arktischen Eises nicht standhalten, und sie wurden beschädigt und unbeweglich. Die bittere Erkenntnis, dass eine Überwinterung in dieser lebensfeindlichen Umgebung unausweichlich war, lastete schwer auf der Besatzung.
Kapitel 3: Das „Behouden Huys“: Eine Festung aus Schiffsteilen gegen die arktische Kälte
Angesichts der drohenden Gefahr und der Notwendigkeit, Schutz vor den unbarmherzigen Elementen zu finden, zeigten die 17 Männer bemerkenswerten Einfallsreichtum und Entschlossenheit. Sie begannen unverzüglich mit dem Bau eines provisorischen Unterschlupfs, den sie treffend „Behouden Huys“ (Das Behütete Haus) nannten. Die Konstruktion dieser Hütte war ein Wettlauf gegen die Zeit und die fortschreitende Kälte. Als primäres Baumaterial dienten nun nicht nur Treibholz von der Küste, sondern vor allem die demolierten Teile ihrer eigenen Schiffe. Masten wurden als tragende Säulen verwendet, während Planken und andere Holzteile die Wände bildeten. Die Männer nutzten ihr seemännisches Wissen, um die Konstruktion so stabil und winddicht wie möglich zu gestalten. Ritzen und Spalten wurden mit Moos, Segeltuchresten und anderen verfügbaren Materialien abgedichtet, um die eisige Luft draußen zu halten. Das Dach wurde wahrscheinlich mit den schwereren Segeltüchern der Schiffe bedeckt und mit Steinen und Schnee beschwert, um es vor den arktischen Stürmen zu sichern. Im Inneren schufen sie notdürftige Schlafplätze aus den Schiffskojen und bauten einen zentralen Feuerplatz, um den sich das Leben in der Dunkelheit abspielte. Die Schiffe, die sie in die Falle des Eises geführt hatten, lieferten nun ironischerweise die Materialien für ihr Überleben.
Kapitel 4: Der tägliche Kampf ums Überleben im „Behouden Huys“: Kälte, Dunkelheit und Skorbut
Der arktische Winter präsentierte sich in seiner ganzen Grausamkeit und machte das „Behouden Huys“, erbaut aus den Überresten ihrer einstigen Hoffnungsträger, zu einem beengten und oft trostlosen Ort. Die Temperaturen im Inneren stiegen selten über den Gefrierpunkt, und die ständige Kälte drang in die Knochen. Die monatelange Dunkelheit zerrüttete den Tagesrhythmus, führte zu Müdigkeit und beeinträchtigte die Stimmung der Männer. Der spärliche Schein des Feuerplatzes, gespeist von den wenigen Holzresten der Schiffe und spärlichem Treibholz, war oft die einzige Lichtquelle in der langen Polarnacht. Eine besonders tückische Bedrohung im Inneren der Hütte stellte der Skorbut dar, der sich aufgrund des Mangels an frischen Nahrungsmitteln ausbreitete. Die Krankheit schwächte die Körper, verursachte Schmerzen und machte die Männer anfälliger für andere Leiden. Der Alltag im „Behouden Huys“ war geprägt von der ständigen Sorge um Brennmaterial, der sorgfältigen Rationierung der knappen Vorräte an Nahrung und Getränken, die sie von den Schiffen retten konnten, und dem verzweifelten Versuch, die Kälte und die wachsende Hoffnungslosigkeit zu bekämpfen. Die detaillierten Aufzeichnungen von Gerrit de Veer geben einen intimen Einblick in das Leben in der Hütte, die kleinen Freuden und die großen Ängste, die die Männer teilten, umgeben von den stummen Zeugen ihres Schiffbruchs.
Kapitel 5: Die Bedrohung durch die arktische Tierwelt um das „Behouden Huys“ und die Notwendigkeit der Jagd
Auch außerhalb der schützenden Wände des „Behouden Huys“, das aus den Überresten ihrer gescheiterten Expedition entstanden war, lauerte Gefahr. Hungrige Eisbären, angelockt vom Geruch der Menschen oder auf der Suche nach Nahrung, stellten eine ständige Bedrohung dar. Mehrere beängstigende Begegnungen mit den mächtigen Raubtieren ereigneten sich in der Nähe der Hütte und erforderten ständige Wachsamkeit und Mut von den Männern, die sich mit improvisierten Waffen verteidigten. Jagdausflüge, die unternommen wurden, um die schwindenden Vorräte aufzustocken, waren nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch lebensgefährlich. Das „Behouden Huys“ diente somit nicht nur als Schutz vor den Elementen, sondern auch als eine Art Festung gegen die aggressive Tierwelt der Arktis, ein Bollwerk, das aus den Trümmern ihrer ursprünglichen Ambitionen errichtet wurde.
Kapitel 6: Der verzweifelte Aufbruch aus dem „Behouden Huys“ und der Tod von Willem Barentsz
Als der Frühling des Jahres 1597 endlich Anzeichen des Aufbruchs zeigte und das Eis langsam nachgab, fassten die verbliebenen zwölf Männer den mutigen und zugleich verzweifelten Plan, das „Behouden Huys“, ihre winterliche Zuflucht aus Schiffsteilen, zu verlassen und die gefährliche Rückreise nach Süden anzutreten. Sie nutzten die verbliebenen, weniger beschädigten Teile ihrer Schiffe, um zwei kleine offene Boote zu bauen. Diese Boote waren notdürftig zusammengezimmert und kaum geeignet für die lange und gefährliche Seereise. Der Abschied von der Hütte, die ihnen monatelang als Schutz gedient hatte, muss ein bittersüßer Moment gewesen sein. Die Strapazen des Winters hatten ihren Tribut gefordert, und viele der Männer waren geschwächt und krank. Auch Willem Barentsz, dessen unermüdlicher Geist die Expedition lange getragen hatte, war schwer gezeichnet. Er erlag vermutlich dem Skorbut und seinen Entkräftungen auf dieser qualvollen Reise in den offenen Booten. Seine letzten Stunden waren von der Fertigstellung seiner wertvollen Aufzeichnungen und Karten geprägt, als ob er die Bedeutung seines Beitrags zur Erforschung der Arktis ahnte.
Kapitel 7: Die Heimkehr der Überlebenden und das bleibende Vermächtnis der Expedition
Nach einer entbehrungsreichen und gefahrvollen Seereise in ihren notdürftigen Booten erreichten die erschöpften Überlebenden schließlich das Festland und konnten in ihre Heimat zurückkehren. Die Expedition von 1596-1597 hatte zwar nicht die ersehnte Nordostpassage gefunden und forderte den Tod ihres visionären Navigators Willem Barentsz. Dennoch war sie von unschätzbarem Wert. Sie lieferte wertvolle, wenn auch schmerzhafte, Einblicke in die Bedingungen des arktischen Winters und die Grenzen der menschlichen Widerstandsfähigkeit. Das „Behouden Huys“, erbaut aus den Überresten ihrer Schiffe, wurde zum Symbol für den Überlebenswillen der Besatzung in einer extremen Umgebung. Die Entdeckung Spitzbergens und der Bäreninsel erweiterte das geografische Wissen Europas nachhaltig. Der Name Willem Barentsz und die nach ihm benannte Barentssee bleiben ein ewiges Denkmal für diesen Pioniergeist und die tragische Heldentat seiner letzten Expedition. Die Schiffe, die sie in die Arktis brachten und deren Überreste ihnen das Überleben ermöglichten, sind stumme Zeugen dieser außergewöhnlichen Geschichte.
Anhang: Bekannte Mannschaftsmitglieder der Expedition von 1596-1597
Die genaue Zusammensetzung der 17-köpfigen Mannschaft ist nicht vollständig dokumentiert. Die bekanntesten Mitglieder, deren Namen in den erhaltenen Berichten und Chroniken erwähnt werden, sind:
- Willem Barentsz: Navigator und Kartograf, starb während der Rückreise.
- Jacob van Heemskerck: Kapitän eines der Schiffe.
- Jan Jacobsz May: Kapitän des anderen Schiffes (vor der Trennung).
- Gerrit de Veer: Zimmermann und Chronist der Expedition, dessen Tagebuch eine wertvolle Quelle darstellt.
- Claes Andriesz: Erwähnt in den Aufzeichnungen.
- Pieter Cornelisz: Erwähnt in den Aufzeichnungen.
Es ist wichtig anzumerken, dass die Namen weiterer Mannschaftsmitglieder in den historischen Quellen nicht oder nur fragmentarisch überliefert sind. Dennoch trugen alle 17 Männer, die den eisigen Winter im „Behouden Huys“ verbrachten und deren Schiffe die Grundlage für ihren Schutz bildeten, ihren Teil zu dieser bemerkenswerten Geschichte des Überlebens bei.