1757 – Savva Loshkin – 1.Umrundung von Nowaja Semlja

Einleitung und historischer Kontext

Im 18. Jahrhundert befand sich Europa in einem Zeitalter intensiver geographischer Entdeckungen. Nicht nur westeuropäische Nationen, sondern auch Russland traten vermehrt in Erscheinung, als es darum ging, unbekannte und strategisch wichtige Regionen zu erkunden. Einer der Pioniere dieser Ära war Savva Loshkin, ein russischer Entdecker, dessen Expeditionen in der Arktis bahnbrechend waren. Seine Reisen fielen in eine Zeit, in der wirtschaftliche Interessen – vor allem die Jagd auf Pelze – und wissenschaftlicher Forscherdrang häufig Hand in Hand gingen. Diese Doppelmotivation prägte nicht nur Loshkins Vorgehen, sondern auch die strategische Politik des zaristischen Russlands in Bezug auf das extreme Nordenland.


Die Expedition und ihre Zielsetzung

Zwischen 1760 und 1762 unternahm Loshkin eine bedeutende Reise in die Arktis. Sein Hauptziel war die Erforschung der Inselgruppe Nowaja Semlja – einer Landmasse, die sich zwischen der Barentssee und der Karasee befindet. Die Expedition war in vielerlei Hinsicht ambitioniert und mit hohen Risiken verbunden.

Erforschung der neuen Region

Loshkin gelang es, die gesamte Ostküste der Inselgruppe eingehend zu erforschen. Dabei wurde nicht nur das geographische Wissen über das Gebiet erweitert, sondern es wurden auch wichtige meteorologische und ozeanographische Daten gesammelt, die späteren Forschern als Grundlage dienten. Seine Fähigkeit, auf den herausfordernden arktischen Bedingungen zu bestehen, zeigte sich unter anderem dadurch, dass er mehrfach in extremen Klimaverhältnissen überwinterte – ein Umstand, der selbst unter den damaligen Bedingungen außergewöhnlich war.

Wirtschaftliche und strategische Interessen

Neben den wissenschaftlichen Aspekten stand die Expedition auch unter dem Zeichen wirtschaftlicher Interessen. Die Jagd auf Pelze, die in jenem Zeitalter eine wichtige Einnahmequelle darstellte, war ein wesentlicher Beweggrund. Russland hatte ein großes Interesse daran, die Potenziale des arktischen Raumes zu erschließen – sei es zur Sicherung von Handelsrouten oder um die territoriale Präsenz im hohen Norden zu verstärken.


Ablauf und Herausforderungen der Expedition

Planung und Vorbereitung

  • Auswahl der Route:
    Schon in der Planungsphase musste Loshkin die weitgehend unbekannten Gewässer rund um Nowaja Semlja sorgfältig abwägen. Die Expedition zielte darauf ab, einen möglichst vollständigen Überblick über die Küsten- und Gewässerlandschaft dieser abgelegenen Region zu gewinnen. Dies erforderte intensive Vorstudien und das Zusammenstellen von Erfahrungsberichten früherer, weniger erfolgreicher Fahrten in die Arktis.

  • Ausrüstung und Personal:
    Die Expedition erforderte speziell angefertigte Schiffe, die den extremen Bedingungen der Arktis standhalten konnten. Neben Navigation und Schiffsbau spielten auch Vorräte, Notfallausrüstung und wintertaugliche Bekleidung eine entscheidende Rolle. Das Personal musste nicht nur erfahrene Seeleute, sondern auch Fachleute für die Datensammlung in Bezug auf Meteorologie und Geographie umfassen.

Start der Expedition

  • Navigation in unbekannten Gewässern:
    Nach dem Ablegen begab sich Loshkin mit seiner Mannschaft in ein Gebiet, in dem es kaum zuverlässige Karten oder Erfahrungswerte gab. Die Entdeckung und genaue Dokumentation der Ostküste von Nowaja Semlja stellte eine besondere Herausforderung dar, da es an bisherigen Referenzpunkten mangelte. Mit Hilfe von nautischen Instrumenten wie Sextanten und Kompassen versuchte man, Kursabweichungen zu minimieren und gleichzeitig neue geographische Daten zu sammeln.

  • Erkundung und Kartografierung:
    Während der Fahrt wurden unbekannte Küstenlinien, Untiefen und Gefahrenstellen akribisch aufgezeichnet. Die gewonnenen Daten dienten später nicht nur der Verbesserung der Seekarten, sondern auch als Grundlage für wissenschaftliche Studien des arktischen Klimas und der Meeresströmungen. Die Kartenherstellung in solch unwirtlichen Verhältnissen erforderte eine Kombination aus direkter Beobachtung und Schätzungen, da moderne Messinstrumente noch nicht zur Verfügung standen.

Überwinterungsphasen

  • Extremwetter und Isolation:
    Einer der prägendsten Aspekte der Expedition war das mehrfache Überwintern in der Arktis. Die extrem kalten Temperaturen, stark wechselnden Wetterlagen und die anhaltende Dunkelheit stellten für die Mannschaft enorme psychische und physische Belastungen dar. Die Isolation über mehrere Monate hinweg führte zu logistischen Problemen wie der Sicherstellung von ausreichenden Vorräten und der Aufrechterhaltung der Gesundheit der Mannschaft.

  • Technische Herausforderungen beim Überwinteren:
    Die Erhaltung des Schiffszustandes in eisigen Gewässern und während zugefrorener Perioden war eine enorme technische Herausforderung. Antriebssysteme, Rumpf und Segel mussten extremen Belastungen standhalten, während die Mannschaft improvisierte Reparaturen vor Ort durchführen musste. Zudem war das Fehlen moderner Heizsysteme eine zusätzliche Hürde, die zu improvisierten Lösungen im Bereich der Wärmeerhaltung führte.

Rückkehr und abschließende Dokumentation

  • Rückfahrten entlang der Westküste:
    Nachdem Loshkin die Ostküste eingehend dokumentiert hatte, erfolgte die Rückreise entlang der Westseite von Nowaja Semlja. Diese Route war oftmals noch gefährlicher, da sie weniger erforscht und somit anfälliger für versteckte Gefahren wie Eisbergen oder plötzliche Wetterumschwünge war.

  • Zusammenführung der gesammelten Daten:
    Trotz des späteren Verlusts mancher detaillierter Aufzeichnungen war die Rückreise insofern eine Vollendung der Expedition, als dass alle gesammelten geographischen und meteorologischen Daten systematisch zusammengetragen und an die zuständigen wissenschaftlichen Institutionen weitergeleitet wurden. Diese Dokumente sollten als wichtige Grundlagen für nachfolgende Expeditionsplanungen und wissenschaftliche Untersuchungen dienen.


Bedeutung und Vermächtnis

Savva Loshkins Expedition hat weit über die reine geografische Entdeckung hinaus Wirkung gezeigt. Ihr Vermächtnis lässt sich in mehreren Bereichen nachvollziehen:

  • Wissenschaftlicher Fortschritt:
    Die gewonnenen Daten und Erkenntnisse dienten als Grundlage für nachfolgende wissenschaftliche Forschungen in der Arktis. Insbesondere die detaillierte Erkundung von Nowaja Semlja erweiterte das Wissen um das nordische Klima, die Meeresströmungen und die geographischen Besonderheiten der Region.

  • Wirtschaftliche Erschließung:
    Die Expedition trug zur Expansion der russischen Präsenz im hohen Norden bei. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Aktivitäten, insbesondere in der Pelzjagd, hatten langfristige Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft und die strategische Ausrichtung des russischen Reiches.

  • Historische Inspiration:
    Die Unternehmung von Loshkin gilt als ein frühes Beispiel für die Fähigkeit, auch unter widrigsten Umständen erfolgreich zu forschen und zu überleben. Dies inspiriert auch in der heutigen Zeit Forscher und Abenteurer, die sich den Herausforderungen extremer Umgebungen stellen.


Fazit

Savva Loshkins Reise in die Arktis, insbesondere die umfassende Erkundung von Nowaja Semlja, stellt einen Meilenstein in der Geschichte der russischen und allgemeinen arktischen Entdeckungen dar. Trotz des teilweisen Verlusts detaillierter Aufzeichnungen ist der Beitrag seiner Expedition unbestritten: Sie öffnete den Weg für wissenschaftliche, wirtschaftliche und strategische Entwicklungen in einer der unwirtlichsten Regionen der Erde. Sein Vermächtnis lebt in der weiterentwickelten Kartographie, der wissenschaftlichen Erforschung arktischer Klimaverhältnisse und der historischen Identität eines Zeitalters, das durch den unerschrockenen Entdeckergeist geprägt war.

Die Expedition Savva Loshkins verdeutlicht, wie menschliche Neugier und der Drang, das Unbekannte zu erforschen, selbst in den extremsten und gefährlichsten Umgebungen von Erfolg gekrönt sein können. Sein Beitrag bleibt ein herausragendes Beispiel für Pioniergeist und Entdeckertradition.